17. Mai 2012

Sturm und kein Weiterkommen

In der Früh – gut im Wohnwagen geschlafen – wache ich bei Sonnenschein und eigenartigen Geräuschen auf. Wie sich sofort herausstellt, sind das Windgeräusche von einer ziemlichen Intensität. Mit anderen Worten, es stürmt der/die oder das Koschawa. Schaumkronen auf der Donau, Wellen, die gut ein Meter hoch sind, mit einem Wort: unfahrbar.

Kurze Zeit später informiert mich Milutin, dass der Sturm sicher noch zwei oder drei Tage andauern wird. Aber das sei kein Problem, denn ich könne ja in seinem Wohnwagen schlafen. Wieder einmal einer dieser Momente, wo mir vor Dankbarkeit der Mund offen stehen bleibt.

Mit Beschämung erinnere ich mich an eine Episode aus meinem Berufsleben: Da hat die Polizei eine rumänischen Familie, deren Auto auf der Strecke zusammengebrochen war, versucht irgendwo solange unterzubringen, bis Verwandte die Gestrandeten abholen und heimführen könnten. Da gab es wortreiche Erklärungen von allen Seiten, wieso man selbst zwar gerne helfen wolle (und einem die Leute persönlich wirklich leid täten), aber man eben gerade für so einen Fall ganz bestimmt NICHT zuständig sei. Da habe auch ich etwas gutzumachen.

Nun gilt es, den Frühstückskaffee zu bereiten.Bei dem Sturm gar nicht so einfach, aber letztlich gibt es den halben Liter Löskaffee – diesmal mit “echter” Milch – und das Scherzl Weißbrot von gestern. Solcherart gestärkt wird klarschiff gemacht – auch das bei dem Sturm nicht ganz einfach.DSC00311a

Puppi tollt vergnügt herum und vor lauter Übermut fällt sie vom Steg ins aufgewühlte Wasser. Rettung sofort, außer nassem Pelz nichts passiert.

Eine wenig scheint sie sich dafür zu schämen.

Zu Mittag überrascht mich Milutin mit selbstgemachter Gemüsesuppe (köstlich mit kaltgepresstem Olivenöl aus Zypern verfeinert) und saurer Wurst mit Zwiebelstücken und Weißbrot (ebenfalls köstlich). Es fehlen mir echt die Worte diese Gastfreundschaft gebührend zu würdigen.

Jetzt, am Nachmittag geht es ans Bilderkopieren und Blogschreiben. Zwar bin ich meinem Ziel Stromkilometer Null näher als meinem Heimathafen, aber bei kritischer Betrachtung erscheint dieses Ziel in weite Ferne gerückt. Wenn es wirklich so ist, wie Milutin sagt, dass der Koschawa (ein warmer Fallwind über die Karpaten) noch weitere zwei oder drei Tage wüten wird, dann geht es sich mit der Zeit möglicherweise nicht aus. Eigenartigerweise hält sich meine Enttäuschung darüber in Grenzen. Es ist eben eine Reise ins Ungewisse. Der Koschawa war zwar als möglicher Zeitdieb bekannt, aber sein Auftreten ist nicht vorhersehbar, weder von der Großwetterlage noch von der Jahreszeit her. Und im Grunde genommen war auch mein Malheur mit dem Bootsboden einfach Pech. Für eine nächste Fahrt dieser Art heisst das mindestens doppelt so große Zeitreserven einzuplanen. Außerdem, es werden sieben Wochen unvergessliches Leben am Wasser sein. Das ist aber das Eigentliche, was für mich Bestand und Wert hat, Sulina vielleicht im ersten Anlauf nicht erreicht zu haben, kümmert mich ähnlich wie Puppis Bad in der Marina von heute Vormittag.

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